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Kreditgeschäft

In seinem einleitenden Überblick erörterte Mark Häberlein (Freiburg) die Tendenzen der neueren Forschung zum Themenfeld. Bis in die 1980er Jahre war die Kreditgeschichte einer Perspektive verpflichtet, die sich auf die Entwicklung von Institutionen wie Banken oder Börsen konzentrierte und diese als wichtige Faktoren der Modernisierung, insbesondere durch die Finanzierung der Industrialisierung sah. Diese lineare Erfolgsgeschichte wird jedoch zunehmend in Frage gestellt, da Industrielle und Finanzielle Revolution in keiner eindeutigen Kausalbeziehung stehen und die große Bedeutung von Geld- und Kreditbeziehungen in der vorindustriellen Welt immer deutlicher wird. Der lange propagierte Gegensatz einer dominierenden "moralischen Ökonomie", gegen die sich "der Markt" habe durchsetzen müssen, würde von einer komplementären Perspektive abgelöst. Anhand einiger neuerer Forschungsarbeiten, die Kreditbeziehungen als soziale Beziehungen untersuchen, wurde die Vielfalt möglicher Konstellationen deutlich, in denen das Verleihen von Geld stattfand. Während das Wachstum der Warenmärkte zunehmend intensivere Darlehensbeziehungen zur Folge hatte und "Kreditwürdigkeit" zum relevanten kulturellen Kapital auf allen Ebenen der Gesellschaft gehörte, entstand das Problem einer wachsenden Unübersichtlichkeit, die die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit von Schuldnern erschwerte. Daher entwickelte sich zum Beispiel in Paris ein Netzwerk von Notaren, die den städtischen Kreditmarkt kontrollierten und weitläufige Kreditbeziehungen ermöglichten.
Diese historische Perspektive ergänzte Reinhard Johler (Tübingen) durch eine kulturwissenschaftliche und hob die Prägung von Kreditbeziehungen durch kulturelle Muster hervor. So müsse gefragt werden, welche Muster wann und wie notwendig seien, um zum Beispiel Vertrauen herzustellen. Die lokale Vielfalt solcher Muster wurde am Vergleich von drei Kreditmärkten in Westösterreich bzw. Südtirol deutlich. Obwohl diese Kreditmärkte, an deren Verrechnungstagen Hunderte von Menschen zusammentrafen, um persönlich ihre Kreditbeziehungen zu regeln, bis ins 20. Jahrhundert bestanden, sind sie auf der Ebene individueller Erinnerung weitgehend vergessen. Dennoch werden an diesen Terminen inzwischen - wirtschaftlich gesehen weitgehend irrelevante - touristische Märkte als Institut lokaler Identitätsstiftung inszeniert. Vor dem Hintergrund dieses kulturellen Bedeutungswandels konkreter Märkte wäre auch der Umgang mit Banken als sozialer und kultureller Lernprozess zu verstehen, der den routinierten Gebrauch dieser Institutionen erst ermöglicht habe.

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